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Das Quartier: Nah am Fluss

Nah am Fluss

Buntes Leben an der Weser. Kanzlers Weide bietet Platz für Wohnmobilisten und Veranstaltungen. Das Glacis lädt zum Spazierengehen und Verweilen.

Man kann nicht sagen, dass die Weser Einfluss auf das Stadtbild Mindens genommen hat. Diese Formulierung wird dem Fluss nicht gerecht. Die Weser ist der Grund, warum sich Menschen an diesem Ort überhaupt niederließen und vor fast 2000 Jahren an ihrem Ufer eine Siedlung gründeten.

Die Art und Weise, in der sich Minden entwickelt hat, ist somit unlösbar mit dem Fluss Weser verbunden.

Auf der Weserterrasse, der Oberen Altstadt, bot sich ein sicherer Ort, um die erste Furt nördlich der Porta Westfalica, der Westfälischen Pforte, und die sich hier aus allen Himmelsrichtungen kreuzenden Handelswege zu überwachen. Auch wenn die Bürgerinnen und Bürger schon zu Beginn der Stadtbildung auf der Weserterrasse lebten, so wurde einer der ersten und bis heute dominantesten Zeugen der urbanen Siedlung im Überschwemmungsgebiet der Weser gebaut: Der Dom.

Alle Risiken in Kauf nehmend, orientierte man sich mit der herrschaftlichen Stadtentwicklung so nah wie möglich am Fluss, um zu zeigen, wer der Herr an der Furt war. Der Dom, die Kurien des Domes, das Dom-Kloster, das Rathaus, der Markt, die Kirche der Kaufleute und das Haus der Kaufleute mit dem Blutgericht lagen alle im Hochwasserbereich. Wer etwas auf sich hielt, musste nah am Wasser gebaut haben.

Die Liste der Verbindungen zwischen der Stadtentwicklung und dem Fluss ist lang:

• Karl der Große hielt seine Heeresversammlung im Bereich des Brühls am Ufer der Weser ab.
• Die erste Brücke über die Weser wurde im 13. Jahrhundert in Minden gebaut.
• Die Besiedlung des Ostufers begann mit dem Bau des Mauritius-Klosters zur Sicherung der Handelswege.
• Minden wurde Gründungsmitglied der Hanse.
• Am Mindener Schiffsanlegeplatz, der sogenannten Schlagde (gleichbedeutend mit der Bremer Schlachte), zwang das Stapelrecht passierende Schiffe die Fracht zu löschen.
• Die Fischerstädter besaßen die Rechte am Fluss zwischen Stolzenau und Rinteln.
• Die Weserrenaissance war durch den Getreidehandel auf der Weser möglich geworden.

Dementsprechend sah das Stadtbild auch lange aus.

Wer von Süden kam, betrat die Stadt bereits im Bereich des heutigen Verkehrsknotenpunktes "Birne" und verließ sie erst wieder vor der Nordbrücke, die eigentlich Gustav-Heinemann-Brücke heißt. Ein langes, sporadisches Siedlungsband erstreckte sich am westlichen Ufer der Weser.

Die Stadt lag in ihren Kindertagen quasi parallel zum Fluss und hätte sich vermutlich weiterhin als Siedlungsband am Verlauf der Weser orientiert. Da aber zunehmende Unruhen die Siedlung bedrohten und die von der Furt abgelegenen Teile schutzlos waren, begann man die Stadt zu befestigen.

Die Schiffmühle Minden, die einzige Korn mahlende Schiffmühle auf einem Fluss in Deutschland.

Zeitweise lagen 16 dieser schwimmenden Mahlwerke gleichzeitig auf der Weser vor Anker (Foto: Hans-Jürgen Amtage). Die systematischen Arbeiten an der Festung Minden seit dem 15. Jahrhundert führten dazu, dass die Siedlung dem Fluss den Rücken kehrte und diesen nur noch an der Weserbrücke berührte. Die ältesten Darstellungen, welche Minden schon als Festung zeigen, machen dies deutlich. Zwar spielen die Schiffmühlen und die Weserbrücke noch eine wichtige Rolle, aber die stetig wachsenden Mauern entlang des Ufers führten zu einer Abkopplung des täglichen Lebens vom Fluss.

Der Schwerpunkt der Stadt verlagerte sich. Zusätzlich wurden das Bett der Weser und die Uferbereiche durch den Menschen verändert. In vielen Bereichen des Stadtzentrums verschwand der Einfluss der Weser und des Wassers auf das Stadtbild.

Blick von der Weserbrücke in Minden auf die Porta Westfalica, die Westfälische Pforte, mit dem Weser- und dem Wiehengebirge (Foto: Hans-Jürgen Amtage).

So lag der Dom auf einer Art Insel, etwa vier Meter über dem umliegenden feuchten Gelände. Durch Bauschutt wurde das Gelände so angehoben, dass der Eingang des Domes nun in einer Senke liegt. Wo heute der Zentrale Omnisbusbahnhof (ZOB) liegt, flossen Bäche und lagen feuchte Wiesen. Diese wurden zur besseren Bewirtschaftung trockengelegt.

Die Straße "Seidenbeutel" am Bürgerzentrum Johanniskirchof (BÜZ) war eine trockene Erhebung am Ufer der Weser. Hier passierte das gleiche wie am Dom.

Zwischen Rathaus und Dom floss der Königsborn zur Weser. Der Born versiegte nach Baumaßnahmen an seiner Quelle im Brühl.

In der Pulverstraße wurde die Pulvermühle mit dem Wasser betrieben, welches an der Stadtmauer floss. Im Rahmen des Festungsumbaus wurde das Gelände an der Pulverstraße weiter aufgeschüttet und der Bachlauf wurde verlegt.

Wer heute vom Markt in Richtung Stadttheater geht, der wäre vor ein paar Jahrhunderten durch die Öffnung der Stadtmauer gegangen, an welcher man den Abfall des Wochenmarktes über die Bastau in die Weser geleitet hat. Auch hier wurde der Lauf der Bastau verändert und das Gelände urbar gemacht.

Und wenn Sie im Lindgart Hotel weilen, dann halten Sie sich am Standort einer ganz in der Nähe gelegenen ehemaligen Wassermühle auf.

Viele Ortsbezeichnungen weisen noch heute auf die Anwesenheit von Wasser in der Stadt hin: Leiterstraße, Bleichstraße, Krumme Kisaustraße sind nur einige wenige Beispiele.

Der Niedergang der Fischerstadt aber und des Klosters St. Mauritius sind die besten städtebaulichen Beispiele. Residierten in der Fischerstadt früher wohlhabende Bürger, so verkam dieses Quartier als man den Zugang zur Weser sperrte und den Strand vor den Haustüren durch eine Mauer ersetzte. Lag die Stadt früher auf beiden Seiten des Flusses, so war dieses Kapitel mit dem Abbruch des Klosters St. Mauritius am Ostufer Geschichte. Das Stadtbild konzentrierte sich am Westufer und der Fluss lag nun hinter der Stadt.

Dort wo man das Wasser noch in die Stadt hineinließ, saßen die Gerber und Bleicher, wurde der Müll entsorgt oder Viehtränken angelegt.

Das Glacis - das ehemalige freie Schussfeld der preußischen Festung Mindens - wurde nach dem Schleifen der Festungsmauern durch die Aktivitäten eines Verschönerungsvereins bepflanzt und bietet heute Naherholung. 

Die frühere Einheit von Siedlung und Fluss schwand über die Jahrhunderte zusehends, in der preußischen Hochzeit durfte die Festung nur zu festgesetzten Zeiten verlassen werden und die Weser diente der Abfallentsorgung. Der Fluss war nun nicht mehr die Lebensader, sondern eine Kloake.

Dieses Bild hatte sich seit Generationen manifestiert und die spätere massive Verschmutzung durch Landwirtschaft und Industrie, besonders auch durch die Versalzung durch Kaliwerke in der ehemaligen DDR, hat ihren Teil dazu beigetragen, dass der Fluss nach dem Schleifen der Festung nicht wieder in die Stadt integriert wurde.

Die fortgesetzte Abkehr der Stadt vom Fluss war die logische Konsequenz.

Heute steht die Festung zwar nicht mehr und die Verschmutzung ist Geschichte, aber die Stadt wahrt zurzeit noch den respektvollen Abstand zum Fluss. Das Glacis als vegetativer Nachfolger der Festung trennt auf charmante aber eindeutige Weise Fluss und Innenstadt, die letzten Flussschwimmbäder sind im 20. Jahrhundert verschwunden. Und wäre nicht die  Fußgängerbrücke (Glacisbrücke) gebaut worden, so wäre der Ausbau der Schlagde 1755 die letzte stadtplanerische Maßnahme gewesen, welche sich darum bemühte, die Stadt und den Fluss zusammenzubringen. Aber es gibt auch aktive Mindener, die dazu beitragen, dass ein Zusammenrücken von Stadt und Fluss in kleinen Schritten passiert. Dazu zählen unter anderem die Mindener Weserfreunde.


Denn der Weg zum Fluss lohnt sich allemal. Wasser ist Leben, heißt es. Und das spiegelt sich entlang der Weser in Minden wider. Sport und Freizeit haben Einzug gehalten. Ob Kanu- oder DrachenbootfahrenDisc-Golf auf Kanzlersweide, Musik und Theater am Amphitheater oder die Schiffmühle - entlang der Weser pulsiert inzwischen das Leben. Schauen Sie doch einmal vorbei und erschließen die Stadt mit ihrer Vielfalt vom Wasser aus.

Wasser ist Leben - und Kraft. Das Schaufelrad der Schiffmühle Minden wird von der Weser unermüdlich angetrieben. Foto: Hans-Jürgen Amtage