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Obere Altstadt

Was halten Sie von einem kleinen Ausflug in das Mittelalter? Hier in der Oberen Altstadt ist das ganz ohne Zeitreisemaschine möglich.

Denn ein Bummel durch Mindens Oberstadt ist so vielseitig und voller Abwechslung wie die Geschichte Mindens. Kleine Gassen mit Kopfsteinpflaster. Repräsentative Kaufmannshäuser wechseln sich ab mit den eng verbundenen Fachwerkhäusern der Krämer und Handwerker. Und manch ein versteckter Winkel erweist sich geradezu als Kleinod.

cityportal quartiere altstadt 03Die Obere Altstadt ermöglicht eine kleine Zeitreise ins Mittelalter ganz ohne Zeitreisemaschine. Wer aufmerksam schaut, entdeckt wunderschöne Gebäude und Plätze, wie die Museumszeile. (Foto: Hans-Jürgen Amtage)

Prägend für die Obere Altstadt ist vor allem die imposante Museumszeile. Auf dem vorher unbebauten Gartenland des Martinistifts wurden seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Reihe von Bürgerhäusern errichtet, die im Wesentlichen unverändert blieben. Nur das Haus Ritterstraße 27, das der für die Reformation in Minden bedeutende Pastor an St. Martini, Hermann Huddaeus, 1579 erbauen ließ, musste 1959 durch einen Neubau in angepasster Gestaltung ersetzt werden. Die Dielenhäuser der Museumszeile mit ihren Stubeneinbauten, die mit charakteristischer Weserrenaissancebauzier mit Utluchten, Torbögen und Fenstergewänden versehen sind, vermitteln somit das Bild einer Häuserzeile der Zeit nach 1600.

Im Jahre 1922 wurde das Mindener Museum eröffnet, nachdem der Gründungsbeschluss schon zehn Jahre vorher vom Rat der Stadt gefasst worden war, die Eröffnung sich aber durch den Ersten Weltkrieg verzögerte. In den 2010er-Jahren wurden die Gebäude aufwendig saniert und restauriert. Die Dauerausstellung wurde umfangreich neu gestaltet.

Nur einen Steinwurf entfernt vom Mindener Museum sind das Hansehaus, die Ratskirche St. Martini und das „Windloch". Dieses Wohnhaus wurde in unmittelbarer Nähe der Martinikirche errichtet. Im 17. Jahrhundert wohnte in diesem kleinsten Haus in der Festung Minden der Stadtmusiker, der auch für den Betrieb der Orgel in der Martinikirche zuständig war. Südlich angrenzend wurde an das Haus ein Lagerhaus errichtet, das heute sogenannte Windloch, das unter Denkmalschutz steht.

Die Kirche St. Martini bildet etwa das Zentrum der alten Mindener Innenstadt und ist an der Kante zur oberen Altstadtterrasse entstanden, was ihr einen stadtbildprägenden Charakter gibt. Die Kirche gehörte zum Stift St. Martini, das erst 1810 aufgelöst wurde.

Die Gründung von St. Martini und die Einrichtung des mit ihr verbundenen Kollegiatstifts fallen in die Regierungszeit des Mindener Bischofs Sigebert, der von 1022 bis 1036 tätig war. Das genaue Datum ist nicht mehr zu ermitteln, liegt aber kurz vor 1029, da in diesem Jahr Kaiser Konrad II. dem Martinistift seine Besitzungen urkundlich bestätigte. Bischof Sigebert stattete demnach seine Stiftung großzügig mit Gütern und Einkünften aus. Die Kirche wurde im romanischen und gotischen Stil errichtet.

1530 wurde St. Martini im Zuge der Reformation evangelisch-lutherisch. Hier verlas der Prediger Nikolaus Krage die von ihm verfasste evangelische Kirchenordnung, die von Rat und Gemeinde einmütig angenommen wurde. Diese Kirchenordnung war verbindlich für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt und die erste Kirchenordnung in Westfalen. Damit war die Martinikirche im Gegensatz zum katholischen Dom zur evangelischen Ratskirche und "Stadtkirche" geworden.

Wertvolle kunsthistorische Kostbarkeiten lohnen auch einen Blick in die Kirche. Der Kirchturm ist der höchste Aussichtspunkt Mindens. Seit 1773 prägt er nach einem Blitzschlag nur noch als Restturm die Stadtsilhouette mit.

Ein paar Schritte weiter können Sie noch einen Blick auf das alte Hansehaus werfen. Im Mittelalter verbündeten sich Kaufleute und Handelsstädte, um die Gefahren und Risiken des Fernhandels zu verringern. Das bekannteste dieser Bündnisse war die Hanse, die im 13. und 14. Jahrhundert entstand. Sie kontrollierte lange den Fernhandel im gesamten Norden Europas und hatte auch politisch großen Einfluss.

Minden wird 1293 zum ersten Mal als Hansestadt genannt, aber bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts betrieben vor allem einzelne Kaufleute Fernhandel, weniger die Stadt.

Das Stadtbild Mindens sah im Mittelalter ähnlich aus wie in anderen Hansestädten. Typisch waren gotische Bauten aus dunkelroten Backsteinen (Ziegeln) und Häuser mit Staffelgiebeln. Auch in Minden standen bis ins 19. Jahrhundert zum Beispiel am Markt und an der Kampstraße eindrucksvolle Bauten im Stil der Backsteingotik. Das Hansehaus am Papenmarkt nahe der Museumszeile steht noch heute für diese Zeit.

Oft waren in diesen Häusern nur ein oder zwei Stockwerke bewohnt. Die Obergeschosse dienten der Lagerung von Handelsware oder auch Getreide. Man konnte mit dem Pferdewagen durch die großen Tore in die Diele hineinfahren, wo dann die Waren mit dem Flaschenzug nach oben befördert wurden. Das Leben der Familie spielte sich auf der Diele ab.

cityportal quartiere altstadt 02Auch im Winter bietet die Obere Altstadt wunderschöne Eindrücke, wie beispielsweise hier am Friedensplatz vor der Alten Münze. (Foto: Hans-Jürgen Amtage)

Ein kleiner Spaziergang nur und Sie stehen auf dem einladenden Friedensplatz. Der Name ist an diesem Ort Programm. Die Aktionsgemeinschaft Friedenswoche hat hier ihre Geschäftsstelle und der Eine-Welt-Laden mit seiner aktiven Aktionsgruppe ist ebenfalls nicht weit.

Überhaupt steht dieses Quartier für den Gemeinschaftsgedanken. Viele Initiativen sind hier organisiert, bemühen sich um Frieden, Gemeinschaft und Kultur in Minden, Deutschland und der Welt. Symbolisch steht dafür das Eine-Welt-Dorf an der Eine-Welt-Grundschule im Südwesten der Altstadt, in dem kleine Häuser als Nachbildungen der Wohnstätten dieser Welt errichtet wurden.

cityportal quartiere altstadt 01Die Alte Münze (r.) galt Jahrzehnte als das älteste Steinhaus in Westfalen und beeindruckt durch seinen Staffelgiebel und seine Maßwerkfenster. (Foto: Hans-Jürgen Amtage)

Doch früher wie heute gilt: nichts geht ohne Geld. Das mag am Friedensplatz das Gebäude „Alte Münze" verdeutlichen. Es entstand um das Jahr 1260. Das Haus galt Jahrzehnte als das älteste Steinhaus in Westfalen. Aufgebaut ist es mit einem Staffelgiebel und gotischen Maßwerkfenstern aus dem 13. Jahrhundert, die erst Ende der 1930er-Jahre wieder freigelegt wurden.

Lange wurde angenommen, dass dieses Gebäude früher die Münze in Minden war, da man dort viele Münzen fand. Heute scheint dieses eher als unwahrscheinlich, da man zur Münzherstellung fließendes Gewässer benötigte, das hier nicht vorhanden ist. Deshalb nimmt man an, dass die Alte Münze im 14. bis 16. Jahrhundert die Wohnung des Münzmeisters war. Zweifelsohne eine wichtige Persönlichkeit in Minden.

Eine Persönlichkeit ganz anderer Art können Sie nun noch an der Martinitreppe in Richtung Osten besuchen. Dabei kommen Sie an der für die vom Königreich Preußen in den Jahren von 1827 bis 1850 errichtete Festung Minden Anfang der 1830er-Jahre erbaute Heeresbäckerei vorbei. Sie liegt in unmittelbarer Nähe zum ebenfalls noch erhaltenen Proviantmagazin und diente der Versorgung der Garnison. Das im Stil des preußischen Klassizismus erbaute Gebäude wurde Ende des Zweiten Weltkrieges bei Bombenangriffen stark zerstört, aber wieder aufgebaut.

Heute sind im Proviantmagazin das im Bereich der Erwachsenenbildung tätige Weser-Kolleg Minden untergebracht und die alte Heeresbäckerei dient der Martinigemeinde als Bildungs- und Freizeitstätte. Auf dem Parkplatz vor diesen Gebäuden findet donnerstags und samstags der Mindener Wochenmarkt statt, auf dem viele regionale Anbieter ihre frischen Waren anbieten. Hier steht auch das sogenannte Keilstück des Berliner Künstlers Wilfried Hagebölling. Eine begehbare Skulptur, die seit ihrer Aufstellung im Jahr 1987 umstritten und viel diskutiert ist.

Und schon wenige Schritte weiter sind Sie bei der besonderen Mindener Persönlichkeit angekommen. Vor Ihnen steht die Bronzeskulptur des Mindener Buttjers. Der Künstler Paul Wedepohl schuf die Statue, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Wahrzeichen Mindens entwickelt hat. Der Buttjer gilt als Urgestein der Weserstadt. Ein Original wie beispielsweise in Köln Tünnes und Schäl. Er spiegelt ein wenig im besten Sinne den „Laumalocher" wider, der nicht auf den Mund gefallen ist und gut durch das Leben kommt. Das Wort „Buttjer" stammt aus dem Rotwelsch, wo es Bummler oder Landstreicher bedeutet. Und irgendwie findet sich in jedem „echten Mindener" auch ein Buttjer wieder.

Zum Mindener Buttjer gehört auch die Buttjersprache. Sie ist eine nachgewiesene Sondersprache, die ursprünglich als Soziolekt die Rolle einer Geheimsprache erfüllt hat. Das älteste bekannte Glossar der Buttjersprache stammt aus dem Jahre 1953 und enthält 95 Wörter, das neueste, durch Befragungen von Sprachzeugen ergänzte Glossar enthält über 900 Wörter. In den vergangenen Jahren wurde diese Geheimsprache umfangreich erforscht. 2023 erschien dazu eine Bachelorarbeit.

Ein hypothetischer Fixpunkt, an dem die Buttjersprache entstand, ist die Ankunft der ersten Sinti in Minden. Buttjer war eine Bezeichnung für die Bewohner der Oberen Altstadt, die auch ein Wohngebiet der Sinti war. Die Verben „buttchen", „buttschen" und „buttschern" stehen für „arbeiten". So gilt die Buttjersprache auch als die Sprache der Arbeiter der Oberen Altstadt. Allerdings wurde sie auch in anderen Stadtvierteln links der Weser gesprochen.